Aspekte, zusammengestellt von Fritz Waclawek
Gemeinsam mit einem Kollegen habe ich an der
„Operationalisierung des Stadtentwicklungsplanes“ gearbeitet:
an der EDV-unterstützten Erfassung und Ordnung von Zielen des Stadtentwicklungsplanes für Wien, nach
Ziel – Aussage – Bezug, allgemein und räumlich – Planungsebene – Hierarchischer Ordnung,
gedacht als Übersicht, ohne Einschätzung der Struktur der im STEP vorgegebenen Ziele.
Im folgenden Beitrag soll versucht werden, auf einige inhaltliche und strukturelle Aspekte im Zusammenhang mit der Zeit (durch Auszüge aus der Literatur,) hinzuweisen und aus dieser Sicht Anregungen zu Verständnis, Entwicklung, Dauer der Entwicklung, struktureller Beständigkeit und Anzeichen für sich ändernde Verhaltensweisen zu geben.
In den letzten Jahrzehnten hat die Darstellung von Aspekten der Zeit, Problemen und Denkweisen, Forschungsmethoden verschiedener Wissenschaften an Umfang stark zugenommen. Wesentliche Konsequenzen ergeben sich aus der Ablehnung der newtonschen Modellvorstellungen der absoluten Zeit, der Erkenntnis, daß unsere tägliche Erfahrung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht absolut, sondern vom Beobachter abhängig ist, zeitlichen Normierungen, unter denen wir täglich leiden und an die wir uns angepaßt haben. Der Glaube an den Fortschritt und der Zwang zum Fortschritt bringen notwendigerweise ein Leiden an der Zeit. Es herrscht ein pausenloser Kampf um kleinste Zeitgewinne, Simultaneität erlaubt scheinbar die Flucht aus der Zeit. Ort und Zeit zerfallen in winzige Partikel, die beliebig durcheinandergewürfelt und dann wieder neu zusammengesetzt werden dürfen. Die Vernetzung, somit zeitliche Abhängigkeit, steigert sich. Es gibt immer mehr „soziale Zeit“. Die Wunschvorstellung, auf uhrenhaft lineare Zeitstrukturen verzichten zu können, auf eigene Rhythmen zu hören, zeitweilig ganz in der Gegenwart aufzugehen, wird stärker.
Die Bilanz von 1880 bis 1980 zeigt:
Die Lebenserwartung stieg um 30 %
Die jährl. Arbeitsstundenzahl sank um 50 %
Die Arbeitsstunden bezogen auf die Gesamtlebennstunden sanken von 30 % auf 14 % (BRD).
Noch ist unser Denken vom „klassischen“ naturwissenschaftlichen Denken geprägt: Zeit als „gegebene“, einteilbare, linear und neutral verlaufende. Die kulturhistorische Untersuchung von Zeitstrukturen macht jedoch deutlich, daß es nicht sinnvoll ist, von Zeit als einer „gegebenen“ Größe zu sprechen, sondern daß soziale Zeit zugleich Produkt und Hilfsmittel in der spezifischen Form der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur ist.
Die antike Idee des Kreislaufs, der beständigen Rückkehr der Dinge zu Ihrem Ausgangspunkt wird im Mittelalter schrittweise zugunsten eines „linearen“ Zeitkonzeptes, demzufolge alle Ereignisse zweckgerichtet im Reich Gottes münden, abgelöst. „Das Prinzip Hoffnung“ besteht nicht in der Gestaltung des Fortschrittes, sondern in der „Zielgeschichte“, formuliert Bloch für das mittelalterliche Christentum. Hand in Hand mit der Entwicklung des objektivierten Zeitbegriffes der Skolastik unter Hinwendung zur Mechanik geht ein kaum zu unterschätzender technologischer Innovationsschub, vor allem im Bereich der intensivierten Nutzung natürlicher Energieresourcen und in der intensivierten Nutzung tierischer Arbeit durch neue Geschirr- und Zugtechniken. Durch die Erfindung des Hufeisens werden Überlandtransporte größerer Lasten über längere Strecken ermöglicht. Diese technologischen Umwälzungen wurden insbesondere von den Mönchsorden gefördert und
die exakte Zeitmessung als Mittel zu Disziplinierung und Intensivierung auch von Arbeit begriffen. Die Erfindung der mechanischen Uhr wird jedenfalls mit Ende des 13. Jhdts. angegeben und findet zunächst in Klöstern und Kirchen Anwendung. Parallel dazu zeichnet sich eine Tendenz zur Laiisierung und Rationalisierung der Kultur durch die Kaufleute und den expandierenden Handel und seinen organisatorischen Bedarf ab. Die „kommerzielle Revolution“ erfaßt die kulturelle Ebene und durchbricht in vielen Bereichen die klerikale Monopolstellung, z. B. auf Bildung und Ausbildung. Knappe Kalkulation und die Orientierung an Kapitalumschlagzeiten setzen in der Folge Gewinn und aufgewandte Zeit in Beziehung. Es kommt zur „Gleichsetzung von Zeit und Geld“. Marktorientierung und Zeitbewußtsein entwickeln sich parallel. Geld wirkt als „Beschleuniger“ sozialer Prozesse. Veränderung des Rhythmusses im „Lebensstil“ sind die Folge. Das allgemeine Lebenstempo wird in dem Maß gesteigert, in dem Geld das allgemeine Interessenzentrum wird. „In dieser Zeit begannen in Turmuhren die Viertelstunden zu schlagen.“ In welchem Ausmaß die lineare Zeitstruktur zur verbindlichen Zeit wird, dokumentiert im 14. Jhdt. in den Städten der Übergang von kanonischen Horen zu den Tag-Nacht-gleichen Stunden. Die städtisch-ländliche Arbeitsteilung im Hochmittelalter führt zum zeitlichen Dualismus ländlicher Zyklik und städtischer Linearität. Im urbanen Bereich tritt an die Stelle der Ökologischen und normativ-sakralen Zeitorientierung die metrisch-gemessene Zeitstruktur des Marktes. Quellen belegen, daß die Initiative zur Beschaffung und Installation der Uhren von den städtischen Bürgern ausging, zuerst erwarben die reichen Städte Italiens und der Niederlande die neuen Schlaguhren, nach und nach jedoch fast alle Gemeinden, die das grundherrlich garantierte Recht der Selbstverwaltung haben: die Gemeindeglocke, Bannglocke oder Bürgerglocke, die von nun an den Lebensrhythmus der Stadtbürger regelt und ordnet. Erstmals wird in Flandern die mechanische Uhr zur Bemessung der Arbeitszeit eingesetzt. Dort gibt es Manufakturen mit „Arbeitszerlegung und Arbeitszeitvorschriften“, Tagelöhner werden, wenn auch in geringem Umfang, angeworben. Die Orientierung der Zünfte steht im krassen Gegensatz zur Marktorientierung des Handelsbürgertums. Die Zunft verfolgt Nahrungspolitik und versucht, „die Gleichstellung der Chancen zu erreichen und dauernd zu sichern“. Ausreichende, gesicherte Einkünfte, Handwerksehre und gerechter Preis sind Grundgedanken der Zunft. Dementsprechend betrieben die Zünfte auch keine Investitionspolitik, die auf Expansion der Betriebe ausgerichtet gewesen wäre, sondern blieben beim Bedarfsdeckungsprinzip. Sie sind „künstliche Familien“ und umfassen den gesamten religiösen, kulturellen und sozialen Bereich. Arbeit und Arbeitszeit sind hier keine isolierten und abstrakten Größen, sondern in normative und zeremonielle Akte ganzheitlich eingebunden. Auf der semantischen Ebene zeigt sich diese in der thematischen „Vermischung“ arbeitsgebundener und -ungebundener Zeiten. Damit ähnelt die Zeitorientierung des Zunfthandwerkes dem der bäuerlich agrarischen Kultur und war nicht die des Handelsbürgertums.
Neue Formen städtisch-ländlicher Arbeitsteilung und Produktionsteilung waren Voraussetzung für den Übergang von der Stadt- zur Staatswirtschaft. Dieser Prozeß kennzeichnet den entscheidenden Wendepunkt auch im Zusammenhang mit dem Wandel sozialer Zeitstrukturen zum „kapitalistischen Zeitregime“: die Ökonomische Zeitnutzung wird zum politischen Programm des Merkantilismus. Das den Merkantilismus kennzeichnende Postulat der Bevölkerungsvermehrung ist die volkswirtschaftliche Entdeckung der Arbeitszeit: Daher die Forderung der Vermehrung der Bevölkerung, der Heranziehung immer weiterer Schichten der Bevölkerung, der Beschäftigung der Bettler, Vagabunden, Frauen und Kinder; daher der Versuch der Verlängerung der Arbeitszeit im Jahr, in der Woche und am Tag, der Kampf gegen die Menge der Feiertage, gegen den blauen Montag, ebenso aber auch um Intensivierung der Arbeit, das heißt Zusammendrängen eines möglichst großen Energieaufwandes in einer gegebenen Zeit. Ächtung des Müßigganges wird zum Programm: in „primitiven Gesellschaften“ ist Not ein kollektives Phänomen, nicht aber individuell verschuldete Konsequenz ungenutzter Arbeitskraft. Durch Konkurrenzbedingungen des Marktes werden tempovermindernde Werte und Verhaltensweisen selektiert, abgelöst: „Monetarisierung der Arbeit“. Zunächst bestehen weiterhin subkulturelle Zeitmuster, die einer vorindustriellen Zyklik folgen. Auch die Zyklik des Lebensablaufes läßt sich nicht vollkommen auf die lineare Zeit subsumieren. Kindheit, Jugend und Alter folgen teilweise „irregulären“, auf die industrielle Arbeitswelt bezogenen Zeitmustern.
Es kann in subsistenzwirtschaftlich produzierenden und konsumierenden Gesellschaften, in denen die Menge der gesellschaftlichen Bedürfnisse die hierfür aufgewandte Arbeit bestimmt, (wie in akkumulierenden Gesellschaften) Zeit strukturell als nicht knapp gedacht werden.
Dazu ein Hinweis, wie z. B. die Indianer Zeit erfahren haben. Sie verließen sich auf die Realität, die sich nur in der Gegenwart abspielt. Das bewirkt Geselligkeit und Zufriedenheit, Unabhängigkeit von der Zeit. Zeit ist zur Verfügung. Die Zeit ist „von Ihnen“ abhängig. Zeit „kam“ in den Jahreszeiten. Man mußte ihr nicht hastig entgegeneilen, als könnte man dadurch schneller in die Zukunft gelangen. Es handelt sich um ein Zeitbewußtsein, das man organisch nennen könnte, ohne daß es überhaupt zum Bewußtsein kommt, ganz eingefügt in die Rhythmen der Natur und in den sozialen Rhythmus des Kollektives, und keine von diesen Rhythmenunterschieden eine eigene Existenz hat.
Zeiterfahrung in der Gesellschaft, in der wir leben, ist zumeist Konflikterfahrung, die Erfahrung „sozialer Zeit“. Hochentwickelte Gesellschaften erzeugen durch ihre innere Strukturiertheit den Konflikt „Zeit“, das Leiden an der Zeit. Der Zeitkonflikt ist nicht in erster Linie bedingt durch Formen individuellen Fehlverhaltens, sondern notwendiger Bestandteil von Gesellschaftssystemen, die auf Fortschritt ausgerichtet sind. Gleichzeitig wird es immer schwerer zu sagen, worin oder woraus geforderte oder erbrachte Leistungen eigentlich bestehen. Verstärkt werden solche Situationen als angenehm beschrieben, in denen momentan keine Konflikthaftigkeit und kein Auseinandertreten der Bedürfnisse besteht, in der das Bedürfnis die Dauer strukturiert und nicht umgekehrt, in denen Zeit als solche gar nicht bemerkt wird.
Die am höchsten entwickelte Strukturform setzt zwar die anderen Zeitstrukturen voraus, es ist aber keineswegs so, daß das Aufkommen der einen Struktur zur Vernichtung der anderen führt. Jedoch dominiert die jeweils am höchsten entwickelte Zeitstrukturform über die historisch älteren, die daneben bestehen bleiben, und zwingen dem Menschen in den dominanten Lebensbereichen einer Gesellschaft in wachsendem Maß ihre eigene Handlungslogik auf. Neben der Konflikterfahrung, die durch die Existenz der modernen Zeitstruktur überhaupt gegeben ist, kann nun auch noch konflikthafte Erfahrung des gleichzeitigen, oder sich ablösenden Nebeneinanders unterschiedlicher Zeitstrukturen treten.
Fortschritt meint üblicherweise die Erhöhung des Produktions- und Leistungsvolumens pro Person und Zeiteinheit, der Fortschritt in der Güterversorgung und der soziale Fortschritt sind hievon abgeleitete Größen. Das Verständnis von Produktivität und Effizienz ist zwingend mit dem Zeitfaktor gekoppelt. Fortschritt ist in einer ganz wesentlichen Dimension Fortschritt in der Bewirtschaftung der Zeit. Zeit ist teilbar, geteilte Zeit ist wieder teilbar, die Zeitstruktur ändert sich nicht. Bei Anpassung an Zeitnormen als Leistung geht in den meisten Bereichen Rhythmizität als Strukturelement der Zeit verloren. Positiv bewertet und weiterhin stärker gewichtet sind die unspezifischen Qualifikationen Pünktlichkeit, Ausdauer, schnell arbeiten zu können, Dinge schnell zu erfassen, Nacht- und Schichtarbeit leisten zu können, Dinge in eine bestimmte Abfolge bringen zu können usf.
Zunehmend werden „Etappenziele“ in der Zukunft angesiedelt und der Erfolg einer Handlung wird am Erreichen dieses Etappenzieles gemessen. Das Ausmaß der Zukunftsorientierung eines Individuums hat erheblichen Einfluß auf dessen soziale Stellung, auf die Anerkennung. Zwischen Zeithorizont bzw. Zukunftsorientierung und sozialer Zugehörigkeit besteht ein deutlicher Zusammenhang. Die Fähigkeit, das Handeln an langfristigen Zielen zu orientieren, gewinnt angesichts der steigenden Bedeutung von Bildungs- und Ausbildungsprozessen, erheblich an Wert. Aber:
Ein Sprichwort besagt, daß alles umso mehr beim Alten bleibt, je mehr es sich ändert. Die damit angesprochene Beziehung zwischen Bestand und Wandel als gegenseitiger Abhängigkeit wird in diesem Sprichwort charakterisiert. Erst bei der Betrachtung der gegenseitigen Abhängigkeit offenbart sich das Wesen der scheinbar widersprüchlichen Gesichtspunkte. Diese Komplimentarität ist auch am Beispiel größerer Gesellschaftssysteme zu beobachten, die trotz großer Anstrengungen, die Lage zu ändern und eine Lösung herbeizuführen, im Teufelskreis eines Problems verstrickt bleiben. Schon Forrester hat bei seinen Untersuchungen über dynamische Systeme auf verblüffende Input-Output-Beziehungen hingewiesen: gutgemeinte Verbesserungsmaßnahmen haben zu beschleunigter Verschlechterung geführt, manchmal bleibt das System durch Maßnahmen völlig unbeeinflußt. Bei Beachtung der Gruppentheorie und der logischen Typenlehre bei Planungsaufgaben sollte es öfter möglich sein, zwischen Qualitäten von Maßnahmen im Hinblick auf ein Gesamtsystem zu unterscheiden.
„Die Industrie“ formuliert ihre „strategischen Ziele“ etwa folgendermaßen:
„Für die industrialisierten Länder der westlichen Welt sind beim Übergang von der industriellen zur postindustriellen Gesellschaft Unternehmenskrisen alltäglich geworden. Vier Ursachen sind es: hausgemachte, wachstumsspezifische, konjunkturelle, strukturelle“. Dazu wird angemerkt: sämtliche, heute im Unternehmen verwendeten Steuerungs- und Informationssysteme liefern fast ausschließlich operative „Rückspiegel“-Daten. Operative Daten sind für eine Unternehmensleitung systematisch irreführend; je günstiger das Bild der Vergangenheit, das die operativen Daten liefern, um so größer ist die Gefahr strategischer Fehler…
Strategische Fehler sind irreversibel. Sie sind deshalb nicht korrigierbar, weil vom Zeitpunkt ihres Aufscheinens im operativen Datenbereich an, nicht mehr genügend Zeit verbleibt, um noch sinnvoll zu reagieren. Die Fehlerkorrektur fordert daher immer Sonder- und Ausnahmemaßnahmen. (Unternehmenskrise)
Strategisches Management soll „hausgemachte Unternehmenskrisen“ verhindern, operatives Management verursacht „hausgemachte Unternehmenskrisen“. Prognosen bilden eine wesentliche Grundlage für
Strategieformulierungen. Die Abschätzung zukünftiger Entwicklungen muß auf einer Vielzahl von Informationen basieren, sie bleibt jedoch eine sehr subjektive Vorstellung. Neben der Auswertung nationaler Wirtschaftsprognosen und Zukunftsanalysen wird empfohlen, den Zeitvorlauf von zwei bis fünf Jahren bei einer Reihe von gesetzlichen Regelungen zu Fragen der technischen Normung, des Umweltschutzes und der sozialen Gesetzgebung arbeitspolitischer Belange in Nachbarländern zu beachten…
Aber auch für Unternehmen der Freizeitindustrie, der Baustoffherstellung, des Verkehrswesens oder des Fremdenverkehrs kann in den nächsten 10 bis 15 Jahren die Beobachtung von Umweltschutztrends wettbewerbsentscheidend sein:
die rechtzeitige Beachtung von Umwelttrends im In- und Ausland bringt Wettbewerbsvorteile. Ziel industriellen Wandels ist es, die gegenwärtigen, veralteten Strukturen mit ihrer relativ niedrigen Poduktivität und geringen Internationalität zu verbessern:
Verbesserung der Qualität und Steigerung der Produktivität, Nutzung vorhandener Informationskapazität verbunden mit Investitionen für höhere Produktivität…“ (Ende des Zitates)
Die so definierte Strukturverbesserung zielt also auf Rentabilität ab und orientiert sich an Mitbewerbern, Technologietrends, Werkstoffneuerungen und Qualitätsveränderungen, Produkt-Lebenszykluskurven mit den Stufen Einführung-Wachstum-Reife-Sättigung-Degeneration, der Darstellung von Umsatz und Kostendeckungsbeitrag: der Zeitbegriff wird eingeschränkt auf die „Produktlebenszeit“: diese Auffassung von Planung bewegt sich durchaus im Rahmen der bisherigen industriellen Entwicklung, bei der es vor allem um die Entwicklung von Dingen geht. Geht man aber davon aus, daß wichtige neue Grenzen psychologischer, sozialer, personaler, menschlicher, weniger aber technischer und materieller Art sind, dann müßte es sich um einen inhaltlichen Richtungswandel, und nicht um eine Beschleunigung industrieller Trends handeln.
Mehr desselben,
weniger vom Selben,
mehr vom Gegenteil
sind beliebte Lösungsansätze. Dieser Weg zur Lösung eines Problems führt allerdings nicht immer zum Ziel.
Dazu einige Hinweise zur Systematik von Änderungen.
Die Gruppengesetze lauten:
Jede Kombination eines Elementes einer Gruppe mit sich selbst oder mit jedem anderen Element der Gruppe ergibt wiederum ein Element derselben Gruppe. Es gibt also unzählige Veränderungen innerhalb einer Gruppe, es verunmöglicht aber jedem Element oder jeder Kombination von Elementen, sich außerhalb der Gruppe (des Systems) geschlossen zu stellen.
Das zweite Gruppengesetz besagt, daß man die Elemente in verschiedener Reihenfolge kombinieren kann, das Resultat der Kombination aber dasselbe bleibt (Assoziativgesetz der Gruppe).
Jede Gruppe enthält ein Einheitselement, auch neutrales Element genannt, dessen Kombination mit jedem anderen Element wiederum dieses Element ergibt, es also unverändert läßt. (Bei unserer Betrachtung handelt es sich um ein Element, das aktiv sein kann, ohne eine Veränderung herbeizuführen.)
Jedes Element einer Gruppe besitzt ein ihm entgegengesetztes, das Inverse, und die Kombination jedes Elementes mit seinem Inversen ergibt das Einheitselement.
Die Gruppentheorie bietet also ein Begriffssystem zum Verständnis von Veränderungen, die innerhalb eines Systems stattfinden, das System selbst aber unverändert belassen.
Formen des Wandels, die über ein bestimmtes System, einen bestimmten Begriffsrahmen hinausgehen, werden durch die Gruppentheorie nicht erklärt.
Die logische Typenlehre liefert Hinweise: sie befaßt sich nicht damit, was zwischen den sie zusammensetzenden Elementen vorgeht, sondern sie gibt ein Bezugssystem für das Verständnis der Beziehung zwischen Elementen und Klassen.
Ein grundlegender Satz der logischen Typenlehre ist, daß „was immer die Gesamtheit einer Klasse betrifft, nicht selbst Teil dieser Klasse sein darf“. Für die Betrachtung erschwerend ist, daß die Umgangssprache keine Unterscheidung der dargestellten Überlegungen kennt. Planung jedenfalls geht mit Gruppen und mit logischen Typen um, es handelt sich um Denken in Stufen logischer Abstraktion, mit der Gefahr der Typenvermischung und paradoxen Folgen. (Z. B.: das ökonomische Verhalten der Bevölkerung einer Großstadt läßt sich nicht aus dem Ökonomischen Verhalten eines Einwohners, multipliziert mit 1,4 Millionen, ableiten. Eine Bevölkerung mit 1,4 Millionen ist nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ verschieden von einem Individuum, das ein komplexes Interaktionssystem zwischen diesen Individuen bildet. Oder: die Mitglieder einer Gattung verfügen meist über ganz spezifische Mechanismen, die überleben weitgehend gewährleisten, während die Gattung selbst unaufhaltsam ihrem Aussterben, der Vernichtung entgegengehen kann…)
Ein Beispiel für eine einfache Form des Wandels ist die Bewegung, eine Lageveränderung. Bewegung kann aber selbst wieder verändert werden, z. B. durch Beschleunigung oder Verlangsamung (Veränderung der Lageveränderung). Noch eine Stufe höher befindet sich dann die Veränderung von Beschleunigung (od. von Verlangsamung), die einer Veränderung von Veränderung von Veränderung einer Position entspricht. Diese Veränderung bezieht stets die nächsthöhere Abstraktionsstufe ein. Um z. B. von Position auf Bewegung überzugehen, ist ein Schritt aus dem Begriffsrahmen der Position heraus nötig: die griechische Philosophie schließt mit Nachdruck das aus, was heute Wandel zu einer höheren Stufe genannt wird, Wandlung von Wandlung wird negiert: „die moderne Wissenschaft begann, als man sich mit dem Gedanken von Veränderung von Veränderungen vertraut machte.“
Man sieht also, daß das Wort Veränderung sehr verschieden verwendet werden kann: Einmal die Veränderung von einem internen Zustand zu einem anderen, und gleichsam darüberstehend die Veränderung einer Veränderung, also die Veränderung eines Gesamtverhaltens.
Es liegt im Wesen der Tradition, Fortbestand von Werten und Verhaltensweisen zu sichern. In diesem Sinn hat sie die Funktion eines Einheitselementes. Dagegen liegt es im Wesen von Revolution, daß sie tiefgreifende Veränderungen herbeiführen. Revolutionäre Aktionen, die dieser Forderung nicht entsprechen, haben bewahrende Funktion.
Als Beispiel einer Metaveränderung möchte ich die Ingenieurkammerwahlen in Wien vor sieben Jahren anführen. Im Zuge der Wahl des Kammerpräsidenten zeichnete sich ab, daß aufgrund des Wahlsystems und der Mehrheitsverhältnisse ein „Ingenieur“ Kammerpräsident werden würde (und nicht ein Architekt). Die wahlentscheidende Wendung wurde von Kollegen Bramhas und mir dadurch herbeigeführt, daß die Kandidaten durch einen offenen Brief aufgefordert wurden, ihre inhaltlichen Vorstellungen in einem kurzfristig angesetzten Referat der gesamten Kollegenschaft zu präsentieren. (Diese Vorgangsweise ist im gesetzlich vorgegebenen Ablaufschema nicht vorgesehen, außerhalb der Struktur,…)
Mit „mehr desselben“ als Rezept für gewünschte Änderungen wird oft die „Lösung“ zum Problem, boshaft könnte man als Planungsbetroffener sagen „mehr Bauordnung ist möglicherweise nicht Probleme, sondern schafft Bauordnungsprobleme“.
Allgemeiner: nach dem 4. Gruppengesetz ergibt die Kombination des Einheitselementes mit dem Inversen das Einheitselement. (In der Sprache der Kybernetik: negative Rückkopplung.) Viele versuchte [Änderungen scheitern eben daran, daß ein Wandel 1. Ordnung die gewünschte Änderung deswegen nicht bewirken kann, weil dazu die Struktur des Systems selbst geändert werden muß, was nur durch eine Veränderung 2. Ordnung möglich ist.
Zur Einschätzung von Lösungsvorschlägen sollten Vorschläge im Hinblick auf Fehllösungstypen untersucht werden:
Das Bestehen einer Schwierigkeit wird geleugnet, das heißt eine Lösung ist notwendig, wird aber nicht einmal versucht.
Es wird versucht, eine Schwierigkeit zu lösen, die entweder unlösbar ist oder überhaupt nicht besteht. Der Lösungsversuch wird damit utopisch.
Eine Fehllösung wird dadurch begangen und ein Spiel ohne Ende dadurch herbeigeführt, daß entweder eine Veränderung 1. Ordnung dort versucht wird, wo die Lösung nur auf der nächsthöheren Stufe logischer Abstraktion gefunden werden kann oder es wird umgekehrt eine Lösung 2. Ordnung dort versucht, wo eine solcher 1. Ordnung angebracht wäre: eine Lösung wird also auf der falschen Abstraktionsstufe angestrebt.
Die praktische Lösung eines praktischen Problems wird von der Erreichung eines Zieles abhängig zu machen, das fern, nicht erreichbar oder nicht erstrebenswert ist. Wittgenstein sagt: „Wenn wir die Frage warum unterdrücken, werden wir oft erst der wichtigen Tatsachen gewahr, die dann in unseren Untersuchungen zur Antwort führen. Wir erkennen, daß, selbst wenn alle wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind. Freilich bleibt dann eben keine Frage mehr, und eben dies ist die Antwort“. Die Frage wird also selbst das eigentlich Fragwürdige. Ein Gebiet, auf dem eine solche Arbeitsweise durchaus üblich ist, ist die Kybernetik, es wird nicht gesagt, warum etwas eintritt (Politik), sondern was eintritt (Black-Box-Methode).
Gruppentheorie und Typenlehre erklären nicht die Trägheit/Schnelligkeit von Änderungen/Wandel. Unterschiedliche Änderungs- und Erneuerungszyklen wirken erleichternd oder hemmend.
Jeder Planer kennt aus Erfahrung Zyklen bei Personen, bei Objekten,…:
Jugend – Alter, Ausbildung – Anwendung, Generationenfolge, Produktlebensdauer, Trägheit von Verhaltensweisen und Einsichten, Beharrung von „erprobtem“ erfolgreichen Verhalten, Produktionsstrukturen, Technologiesprüngen, Trends (bis zur Umkehr), Interessen. „Staatliche“ Intervention wurde zum Ausgleich von Interessen immer häufiger.
Der „Staat“ hat in den letzten Jahrzehnten sein „Volumen“ personell und finanziell ständig erweitert, im Laufe der Entwicklung sind auf den Staat immer neue Aufgaben zugekommen. Behauptet wird, daß die Qualität staatlicher Entscheidungen in kritischer Weise unzulänglich, die Budgets von mächtigen Verteilungskoalitionen ausgebeutet werden: Der Staat verzichtet ständig auf notwendige Interventionen. Dieses Verhalten ist Ausdruck von Machtlagen und Abhängigkeiten. Gesundheits- und umweltpolitisches Scheitern ist beispielhaft für das Scheitern einer zukunftsgerechten Strukturpolitik. Mit den Superindustrien wuchsen die Großbürokratien, und diese schaffen neben dem Staatsversagen in der Industriegesellschaft auch das Problem des Politikversagens im Staatsaparat.
Bestehende Strukturen sind erstaunlich stabil, die Trennung von Entscheidung und Verantwortung, also die Rolle von Wirtschaft und Politik ist die Ursache gewaltiger Steuerungs- und Innovationsprobleme. Industrie wird im Zusammenhang beschrieben als eine Struktur, ebenso wie ein dynamisches Prinzip. Strukturmerkmale sind die Spezialisierung, Zentralisierung und Rationalisierung. Die Massenproduktion von Spezialgütern durch industrielle Großbetriebe auf der Basis des jeweils günstigsten Verhältnisses von Aufwand und Ertrag ist auf vielfache Weise dynamisch: Massenproduktion tendiert zur ständigen Erweiterung der Märkte.
Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag läßt sich technologisch ständig verbessern.
Der hierdurch in Gang gehaltene technische Fortschritt schafft sich neue Nachfrage.
Die mit alledem verbundenen Kapitalanhäufungen bedeuten Zentralisierung.
Zur Dynamik eines so beschriebenen Industrialismus gehört insbesondere eine Tendenz zur Totalisierung nach außen und innen:
nach außen durch Schaffung von Weltmärkten – Internationalisierung,
nach innen durch Universalisierung industrieller Prinzipien. (Z. B. Kindergärten statt häusliche Gemeinschaft,…)
Die Abwälzung von Problemen – Externalisierung – ist ein weiterer Aspekt industrieller Dynamik durch das arbeitsteilige Auseinanderreißen der Ursache (Produktionsentscheidung) und Schadenswirkung. Sie wird erzwungen durch Konkurrenz, wenn Kosten durch Rücksichtnahmen Wettbewerbsnachteile bringen.
Das „mehr Staat“ wird mehrfach begründet mit:
der regulativen Ordnungsfunktion. Ohne diese zunehmende regulative Leistung würde die Kalkulierbarkeit und damit der Effekt des Wirtschaftsprozesses entscheidend gemindert.
der Legitimationsfunktion. Es handelt sich um die Aufgabe der sogenannten politischen Entscheidungsträger (sie entscheiden wenig und verantworten „alles“: die Arbeitslosigkeit, Fehlinvestitionen der privaten Wirtschaft, Versagen der Bürokratie, …)
der Infrastrukturfunktion. Schaffung der allgemeinen Vorbedingungen für wirtschaftliche Aktivitäten: qualifizierte Arbeitskräfte, Infrastrukturvoraussetzungen…
der Entsorgungsfunktion von z. B. externen Effekten einzelbetrieblich kalkulierter Industrieproduktion. Die Belastung von Luft und Wasser, das Abfallproblem und das Lärmproblem, das Auseinanderdriften von Regionen oder Wirtschaftssektoren im Hinblick auf deren „Niveau“ usw.
Diese funktionellen Verflechtungen des Staates mit dem Industriesystem und seinen Wachstumsinteressen sind wichtige Funktionslagen. Da Staatsziele weitgehend als Produktionsziele definiert werden, ist der Grund dieser Verflechtungen einsehbar. Der Einfluß der Gewerkschaften, die Solidarität der Wirtschaftsinteressen, das Bankensystem als Repräsentanten industriellen Einflusses sind gegenüber den schwächer organisierten Allgemeininteressen durschlagskräftiger:
Bürokratien und Industrien sind strukturell ähnlich, sie sind zentralistisch und arbeitsteilig organisiert, bevorzugen Routinelösungen, neigen zu Maßnahmen am Ende problematischer Kausalketten, wo Probleme sichtbar, massenweise und kalkulierbar anfallen. Daraus ergeben sich technokratische Problemdefinitionen, die Vielschichtigkeit und Komplexität von Problemen ignorieren und die Ursachen von Problemen vernachlässigen: Symptombehandlung, die einmalige (außeralltägliche), billige Maßnahmen zugunsten kostenträchtiger Routinemaßnahmen außer Acht lassen. Ökonomisierung, die strukturpolitisch vorsorgende Komponente zugunsten nachträglicher Maßnahmen ausblenden. Die Primitivform der Prävention ist die bloße Reparatur. Die zweite Stufe bildet die Entsorgung bzw. der nachgeschaltete Umweltschutz. Die dritte Stufe zielt auf von vorne herein umweltfreundliche Technik und die vierte Stufe auf Strukturwandel.
Der Spielraum für Entscheidungen zur Vorsorge oder Krisenabwehr, also von Entscheidungen, die gegen den „normalen Ablauf“ gerichtet sind, ist zunehmend eingeschränkt. Entscheidungen werden innerhalb der Struktur, innerhalb des Systems getroffen. Es sind „Entscheidungen 1. Ordnung“. Voraussetzung von Veränderung ist aber abgesehen vom Lösungsansatz höherer Ordnung die erhöhte Steuerbarkeit der „Apparate“.
Auch die sogenannte „Konkurrenz der internationalen Städte“, die damit dokumentierten Voraussetzungen wie Investitionsklima, verbesserte Erreichbarkeit, berücksichtigt soziale Kosten einer Stadtpolitik, die Fortschrittlichkeit vorgibt, nicht.
Vor dem Hintergrund dieser vorgetragenen Argumente bzw. angedeuteten Argumente erhebt sich die Frage, wie die Entwicklung zugunsten neuer, angepaßter, resourcensparender Technologien mit Entwicklung zu einer ökologisch angepaßten Landwirtschaft und Industrie erfolgen kann und damit erkennbaren nachindustriellen Tendenzen entsprochen wird. Die postmaterielle Tendenz ist ein Wertewandel vor allem in Richtung auf Werte der Lebensqualität. Materieller Güterkonsum und die industriegesellschaftlichen Normen, wie Leistung, Hierarchie usw. erfahren eine möglicherweise starke Relativierung. Staatliches Handeln sollte von ineffektiven Detailinterventionen zur tatsächlichen Beeinflussung von Rahmenbedingungen übergehen, sodaß mit den Anpassungsnotwendigkeiten auch die Anpassungsspielräume erhöht werden. Ein umfassender Innovationsprozeß betrifft das strukturelle Gefüge, mit dem Effekt, daß die gesellschaftlichen Kreativitätsbedingungen grundlegend verbessert und eigene Neuerungen hervorgebracht werden:
auf dem Gebiet der Steuerung, Ausbildung, Motivation, Akzeptanz.
Zeitwohlstand könnte nun darin bestehen, die vielfältigen Formen zeitlicher Fremdkontrolle zu reduzieren, also, den Umgang mit der „eigenen Zeit“ herzustellen. Im Zusammenhang erscheint wesentlich, ob und wieweit eine Rückentwicklung der Bedeutung zeitlicher Bezugssysteme eingeleitet werden kann oder, ob bisherige Entwicklungen trotz flexibler Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit usw. strukturell erhalten bleiben. Es sind sozusagen die Bewegungsdifferenzen zwischen den Subsystemen wieder mehr zu reduzieren, die „Uhr“ als Vermittler vielfältiger Beziehungen in ihrer Bedeutung zu verringern: Arbeits- und Lebensstrukturen, in deren Mittelpunkt nicht der |Ökonische Verwendungsimperativ der Zeit steht, der alles zur Leistung erklärt, wenn es nur schnell und pünktlich geschieht: Voraussetzung wird sein, für Leistung wieder vermehrt Inhalte zu finden, und diejenigen Interventionsbereiche herauszufinden, die die Steuerbarkeit erhöhen und als Katalysatoren für beabsichtigte strukturelle Änderungen dienen können.